Nach nur knapp zwei Stunden Schlaf weckt mich der Wecker um 06:15 Uhr unsanft aus dem Tiefschlaf. Egal! Wir starten zur Baltic Sea Circle Rally 2014!
Nachdem ich Stefan eingesammelt habe rollen wir gegen kurz nach halb acht auf die Autobahn. Der BMW läuft auf der Strecke zum Rallyestart in Hamburg St. Pauli absolut sauber. Auch der Stop-and-Go-Verkehr vor dem Elbtunnel bringt ihn nicht aus dem Takt. Sollte der kurzfristige Tausch der Lambdasonde am Vortag die gelegentlichen Probleme mit dem Verbrauch und dem Rundlauf tatsächlich kuriert haben?!
Der Elbtunnel kostet uns die Stunde Puffer, die wir für die Anreise eingerechnet haben und wir rollen erst mit Beginn des offiziellen Kick-Off um 11:30 Uhr auf den Parkplatz an der Bar StrandPauli. An unserem Startplatz wartet eine Kiste König-Pilsener auf uns, die wir für die Lofoten-Party nach Norwegen mitnehmen sollen. Während wir uns abmühen, die Bierkiste im vollgepackten Auto unterzubringen, blicken wir mitleidig auf das Team 132 neben uns, das im Porsche 924 an den Start geht. Später hören wir, dass sogar das „Haller Boxer Team„, das auf zwei BMW R 65 an den Start geht, es geschafft hat, alle Flaschen im Reisegepäck zu verstauen!
Während gegen kurz nach 12 Uhr die ersten Teams bereits den Parkplatz verlassen und auf der Startbühne präsentiert werden schlendern Stefan und ich über den Parkplatz, bestaunen das Starterfeld und quatschen mit einigen der übrigen Teilnehmer. Für uns steht schnell fest, dass wir im Vergleich zu den anderen Teams definitiv die schönsten Rostlöcher im Auto haben. Auch den Zuschauern scheint das aufzufallen, denn wir werden mehrfach darauf angesprochen. Später beschließe ich spontan den beifahrerseitig vorhandenen Stauraum im Schwellerende für Pfandgut zu nutzen und verstaue dort eine leere Dose Tuborg.
Da in Reihenfolge der Teamnummern gestartet wird und wir als Team #134 die letzten sind, verlassen wir erst um 13:40 Uhr den Parkplatz unter dem Applaus der Zuschauer. Die erste Etappe soll uns laut Roadbook bis nach Simrishamn in Südschweden bringen und wir beschließen Dänemark auf dem Landweg zu durchqueren, um dann die Fähre von Helsingør nach Helsingborg in Schweden zu nehmen. Ich übernehme für die erste Hälfte der Strecke das Steuer und wir verlassen Hamburg auf der A7 in Richtung Flensburg. Auf halber Strecke legen wir einen Zwischenstopp bei meiner Tante Rafaela und meinem Onkel Axel ein. Bei Kaffee, Bier und Eissorbee erledigen wir eine Rallye(teil-)aufgabe aus dem Roadbook und tauschen eine blaue Büroklammer gegen zwei überdimensionierte Bleistifte aus dem verwandtschaftlichen Schrottwichtelfundus. Anschließend fahren wir nach Nortorf, um zu tanken und einzukaufen. Gegen kurz vor 17 Uhr sind wir wieder auf dem Weg nach Dänemark. Hinter der Grenzen verlassen wir die autobahnähnliche Europastraße und machen uns anhand der ADAC-Karten auf die Suche nach einer Strecke über Land, denn: Autobahnen und Navi sind tabu! Die ADAC-Karten sind jedoch so mickrig aufgelöst, dass wir immer nur ein größeres Fernziel anpeilen können und uns teilweise anhand der Himmelsrichtungen orientieren müssen. Nach einigen Anlaufschwierigkeiten kommen wir jedoch gut damit zurecht und kämpfen uns nach Abenraa durch, wo wir die Tagesaufgabe erledigen: Am Sandstrand nehmen wir die Wikingertaufe vor und strecken Füße, Hände und Kopf gleichzeitig unter Wasser.
Weiter geht’s nach Odense. Dort kaufen wir bei Danish Fried Chicken zwei halbe Adler mit Kartoffelspalten und wechseln die Plätze. Auf einem Parkplatz hinter Odense machen wir uns um halb zehn über das Hähnchen her während die Sonne langsam hinterm Horizont verschwindet.
Der nächste Streckenabschnitt führt uns über die eindrucksvolle Storebæltbrücke und weiter in Richtung Kopenhagen bevor wir bei Ringsted nach Norden abbiegen. Um Mitternacht lösen wir im Fährhafen von Helsingør ein Ticket für die Überfahrt nach Schweden. Wir haben Glück und rutschen ohne anzuhalten auf die wartende Fähre, die bereits ablegt während wir noch auf dem beinahe leeren Autodeck herumlaufen und versuchen in letzter Sekunde die überdimensionalen Bleistifte zu tauschen, um den dänischen Teil dieser Aufgabe zu lösen. Der grimmig dreinblickende Typ, der in einem alten Ford Fairlane auf dem Parkdeck die Überfahrt aussitzt, versteht aber weder Englisch noch Spaß. Tauschen will er auch nicht, weshalb wir leider keine Punkte für Dänemark bekommen.
30 Minuten später legt die Fähre in Schweden an. Doch zwischen uns und der Weiterfahrt steht eine Zollbeamtin, der ein BMW im Rallye-Look mit zwei verwegen aussehenden Männern an Bord irgendwie merkwürdig vorkommt. Wir verkneifen uns die Frage, ob wir sie hochheben und fotografieren dürfen (Bonusaufgabe im Roadbook!) und beantworten brav ihre Fragen. Sie bleibt skeptisch, entlässt uns aber dennoch in die schwedische Freiheit, wo wir uns prompt verfahren.
Eigentlich kann man sich in Helsingborg gar nicht verfahren, wenn man von der Fähre kommt. Eigentlich! Denn im Gegensatz zu allen normalen Menschen, die auf die zielsicher zu erreichende Europastraße E4 fahren wollen, wollen wir genau das nicht. Wir nehmen also die erste und letzte Ausfahrt vor der E4 und landen in einem Wohngebiet ohne jegliche Beschilderung. Wir irren eine geschlagene Stunde umher bis wir so einigermaßen sicher wissen, wo wir sind und wohin wir fahren wollen. Da das eigentliche Tagesziel Simrishamn etwa 60 km südlicher liegt als Helsingborg, beschließen wir uns stattdessen östlich in Richtung des morgigen Zwischenziels Vimmerby zu orientieren. Die Uhr zeigt mittlerweile kurz vor zwei Uhr morgens doch so richtig dunkel ist es nicht geworden. Wir reißen noch etwa 100 km runter bis wir in einem kleinen Nest namens Tyringe landen. Hier gibt’s laut Straßenatlas („Motormännens Sverige vägatlas“) einen Aussichtspunkt, an dem wir unser Zelt aufschlagen wollen. Es dämmert bereits wieder deutlich als wir nach insgesamt 21 Stunden Fahrt in unsere Schlafsäcke krabbeln und sofort einschlafen.
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